Vor knapp 3 Wochen habe ich mir beim Skifahren eine größere Verletzung am Unterschenkel zugezogen. Als blinde Person muss ich nun auf Krücken gehen, das heißt: Ich habe keine Hand mehr frei für meinen Blindenstock.
In normalen Wochen lege ich im Schnitt 1.000 Kilometer zurück, vor allem mit der Bahn. Durch meine Verletzungssituation finden aktuell leider die meisten Termine virtuell in meinem Büro in München oder daheim statt, nicht in Präsenz in verschiedenen Städten. Dazu kommen unzählige Arzt- und Physiotermine, die ich per Taxi wahrnehme.
Ich freue mich auf den Tag, an dem ich wieder wie gewohnt mobil bin. Bis dahin habe ich aber zum Glück eine Wahl, was ich aus den Gegebenheiten mache. Möglich wäre zu sagen: „Bleib doch zu Hause auf der Couch und verschiebe die beruflichen Termine aufs nächste Jahr.“ Möglich ist aber auch: anders organisieren, virtuelle Termine durchführen oder mit Begleitläufern mobil sein.
Neben der virtuellen Arbeit war eine schöne Abwechslung, dass ich vor wenigen Tagen in Baden-Württemberg war, um einen Vortrag live zu halten – dank einer guten Freundin als „Begleitläuferin“. Durch ihre Hand auf meiner Schulter, ihre Wegbeschreibungen und ihre Unterstützung konnte ich den gesamten Tag meistern – inklusive der Zugreise mit mehreren Ein-, Aus- und Umstiegen und Treppen, die nicht barrierefrei zugänglich waren aufgrund eines defekten Aufzugs.
Am Ende habe ich an verschiedenen Bahnhöfen viele Treppenstufen zurückgelegt, nebenbei meine Armmuskulatur gut trainiert und beim Warten auf den nächsten Zug die Zeit für ein paar Übungen genutzt.
Dieser Tag hat mir einmal mehr gezeigt: Hindernisse können uns mitunter arg herausfordern, gleichzeitig lehren sie uns aber Geduld, Vertrauen und Kreativität. Wir hatten viel Spaß, und auch beim Vortrag gab es viele Lacher und die Erkenntnis: Mit den richtigen Begleitläufern geht mehr. Auch nach Rückschlägen ist die Haltung entscheidend.
Genau darum geht es auch in meinen Vorträgen: Siege entstehen im Kopf.
Mit etwas Mut, guter Kommunikation, der Bitte um Unterstützung, aber auch der Bereitschaft, diese anzunehmen, mit klaren Zielen und einer positiven Einstellung ist vieles möglich. Trauen Sie sich. Es lohnt sich. Am Ende kann man nach überwundenen Hindernissen besonders stolz auf sich sein.
Ich wünsche Ihnen allen fröhliche Weihnachten.
Ihre Verena Bentele
Fotos: Heidi Willmann
Hinweis zu Foto 3, im Hintergrund: Stock Photo ID: 1756052945 / patpitchaya