Grenzerfahrungen: „Das Gefühl, immer neue Ziele zu erreichen und an ihnen zu wachsen, beflügelt mich“
Sport bedeutet für mich: Vertrauen in meine Fähigkeiten und in ein starkes Team zu haben, die Chance, eine Goldmedaille zu gewinnen und die Möglichkeit, mich körperlich wie mental bewusst mit meinen Grenzen auseinanderzusetzen und diese immer wieder zu verschieben. Das Gefühl, immer neue Ziele zu erreichen und an ihnen zu wachsen, beflügelt mich.
Gesetzte Ziele zu erreichen, ist meiner Meinung nach zum Großteil Kopfsache. Man muss an seinen Erfolg glauben, konsequent und effektiv trainieren, am besten mit passenden „Begleitläufer*innen“ und sich Durchhaltestrategien für schwache Momente zurechtlegen.
Über einige meiner Herausforderungen der vergangenen Jahre lesen Sie hier.
Radmarathon von Trondheim nach Oslo
543 Kilometer mit 3.627 Höhenmetern am Stück und ohne zu schlafen – das bedeutet eine Teilnahme am Radmarathon Trondheim-Oslo. Der Styrkeprøven (deutsch: „große Kraftprobe) hat mich schon immer gereizt. 2013, 2014 und 2018 bestritt ich das Rennen gemeinsam mit meinem Trainingspartner Alex Heim. Für die Premiere benötigten wir knapp 23 Stunden (etwa 19 davon in strömendem Regen), 2014 hatten wir uns trotz geringen Trainings um eine halbe Stunde verbessert. 2018 erreichten wir das Ziel nach 20:52 Stunden, nach einer zeitintensiven Schlagloch-Panne, die uns beide Reifen kostete.
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Kilimandscharo-Besteigung
Blind auf den höchsten Berg Afrikas – warum nicht? Unterstützt von Annika und Joachim Wechner, einem befreundeten Ehepaar, habe ich 2013 den Kilimandscharo (5.895 Meter) und den Mount Meru (4.500 Meter) bezwungen – den Mount Meru sogar als erste Blinde überhaupt. Am schönsten waren für mich als zielorientierten Menschen die Momente auf den beiden Gipfeln. Entscheidend für das Erreichen der Gipfel waren die hervorragende Kommunikation im Team, das Vertrauen in meine Fähigkeiten und meine Begleiter und die Konzentration auf das Ziel. „Im Alltag muss bei mir immer alles schnell gehen. Manche Ziele erreicht man aber eher durch Gelassenheit. Das erfährt man nirgendwo besser als am Berg.“
Alpenüberquerung mit gebrochenem Arm
Weil ich über eine Stufe gestolpert war und mich unglücklich abgefangen hatte, musste ich 2011 für mehrere Wochen einen Gips am rechten Arm tragen. Die geplante Alpenüberquerung mit meinem Tandempartner Alex Heim wollte ich deswegen aber nicht absagen. Schließlich sollte ich mit den Beinen, nicht mit den Armen treten. So fuhren Alex und ich mit drei Armen über die Alpen und erlebten eine wunderschöne Tour. Wegen der Schmerzen im Arm und an der Schulter und dem Jucken unter dem Gips wurde sie teilweise zu einer Kraft- und Nervenprobe – vor allem als wir den Albula-Pass überquerten. Diese Grenzerfahrung hat mich aber bestärkt, Europas längsten Radmarathon zu fahren. Nach der Alpenüberquerung war ich mir sicher: Mit vier Armen schaffen wir auch 543 Kilometer von Trondheim bis Oslo.
Base Flying
Binnen Sekunden 125 Meter in die Tiefe fliegen – das gönnte ich mir mit Jochen Schweizer. Und zwar gleich vier Mal an einem Tag. Gesichert durch ein spezielles Gurtsystem genoss ich das unbeschreibliche Freifallgefühl. Zwei Mal vorwärts, zwei Mal rückwärts. Das Hängen in der Luft, bevor es losgeht und die unterschiedlichen Posen für die Fotografen waren absolut aufregend.
Body Flying
Body Flying im 15 Meter hohen Windkanal der Jochen Schweizer Arena: Das war eine besondere Herausforderung für mich, denn dabei gibt es keine sichernden Seile. Ich muss ganz auf meinen Körper, die Luft und das Team vertrauen.
Ich liebe Herausforderungen und Grenzerfahrungen wie diese. Daraus kann man viel mitnehmen, auch für die Arbeit. Ich bin der festen Meinung: Es lohnt sich immer, Risiken einzugehen, neue Erfahrungen zu sammeln und über sich hinaus zu wachsen. In solchen Extremsituationen zeigt sich außerdem, wie wichtig es ist, ein gutes Team um sich zu haben.
Eifel-Klassik von AUDI
Das war wirklich blindes Vertrauen, bei meiner Premiere als „Begleitläuferin“: Als Co-Pilotin navigierte ich 2010 den zweifachen Deutschen Tourenwagenmeister Harald Demuth durch die Eifel rund um den Nürburgring. Bei der Oldtimer-Rallye sagte ich die Strecke an, die ich in Brailleschrift vom Roadbook ablas. Harald Demuth hatte absolutes Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten als „Navigationssystem“.
House Running
Ein Adrenalin-Erlebnis in großen Höhen: Auf dem Dach eines Münchner Hotels testete ich 2010 zusammen mit Jochen Schweizer meinen Mut und meine Stärke und wagte den Schritt über die Dachkante mit anschließendem Lauf in 60 Meter Tiefe – blind und diesmal ohne Begleitläufer. Nach meinem Unfall 2009 war neben dem sportlichen Training auch der Aspekt der Angstüberwindung als Basis für neuen Vertrauensaufbau wichtig. Die Überwindung, mich an der Dachkante einfach ins Nichts kippen zu lassen, war eine ganz besondere Erfahrung, über die ich gerne in meinen Vorträgen und Seminaren spreche.
Paralympics in Vancouver
Fünf Mal Gold – meine Ausbeute bei den Paralympics 2010 in Vancouver. Ein riesiger Triumph, ein Jahr nach meinem folgenschweren Sturz und die Krönung meiner sportlichen Karriere.