„Wer nicht daran glaubt, dass er gewinnen kann, hat schon verloren“

Von Geburt an blind, kann Verena Bentele nur hell und dunkel erkennen. Stark gemacht hat die spätere Spitzensportlerin ihre Kindheit in einem Sechs-Häuser-Dorf am Bodensee. Auf dem elterlichen Demeter-Bio-Bauernhof, zwischen Äpfel und Hopfen, konnte sie sich austoben, mit anpacken, Verantwortung übernehmen und selbständig werden. „Meine Eltern haben meinen zwei Brüdern und mir von klein auf viel zugetraut. Schon als kleine Kinder haben wir den Tisch gedeckt, die Spülmaschine ausgeräumt und die Ponys versorgt. Verantwortung übernehmen, das wollen alle Menschen und so lernen sie.“ Im Sommer war die Familie zum Wandern in den Alpen unterwegs, im Winter ging es zum Skifahren. Mit drei Jahren stand Verena Bentele erstmals auf Alpinskiern.

Gemeinsam mit ihren älteren Brüdern Johannes (sehend) und Michael (ebenfalls blind) fuhr sie Tandem und Rollschuhe, kletterte auf Bäume und über Dächer. Dass Johannes schneller war als sie, entfachte ihren Wettkampfgeist. Ihre Grenzen zu erkennen und zu erweitern, lernte sie auf dem Bauernhof. Genauso anderen Menschen zu vertrauen und mit ihnen zusammen zu arbeiten. Ohne Begleitläufer, die sie bis zu 70 Stundenkilometer schnell durch die Loipen geführt haben, wäre sie nie zum Superstar des Behindertensports aufgestiegen.

Von den sportlichen Anfängen über den Tiefpunkt zum größten Triumph

Mit sieben Jahren kam Verena Bentele zum Judo, mit neun zum Reiten. Erst im Alter von zehn Jahren begann sie mit dem Langlaufen, bald darauf mit Biathlon. Dann ging es Schlag auf Schlag: Mit 15 war sie Europameisterin, mit 16 gewann sie ihre erste Goldmedaille bei den Paralympics, 1998 in Nagano. Die „Schneekönigin“ (Quelle: „Spiegel“) sammelte Medaille um Medaille. Dass die Paralympics 2010 in Vancouver von einem TV-Moderator ehrfurchtsvoll in „Bentelympics“ umbenannt wurden, hat sie ihrem schier unglaublichen Erfolg dort zu verdanken: Im Biathlon und Langlauf hat sie gemeinsam mit Begleitläufer Thomas Friedrich fünf Goldmedaillen errungen.

Ein für sie ganz besonderer Triumph, denn im Jahr zuvor hatte sie während der Deutschen Meisterschaften im Langlauf einen schweren Unfall, nachdem ihr Begleitläufer links und rechts verwechselt hatte. Verena Bentele stürzte einen Abhang hinunter in ein Bachbett, riss sich das Kreuzband und trug schwere Verletzungen an Leber und Niere davon. Mit einem neuen Begleitläufer kämpfte sie sich zurück, besiegte Zweifel und die Angst vor einem erneuten Sturz und fuhr in Vancouver allen davon. „Wer nicht daran glaubt, dass er gewinnen kann, hat schon verloren. Ich wollte meine Sportkarriere nicht mit einem Sturz beenden.“

Auszeichnungen über Auszeichnungen

Die Wahlmünchnerin zählt zu den erfolgreichsten Wintersportler*innen der Welt. Nach den Paralympics in Kanada wurde sie unter anderem mit dem Silbernen Lorbeerblatt und dem Laureus World Sports Award, dem sogenannten „Sport-Oscar“ ausgezeichnet und als Weltbehindertensportlerin in der Hall of Fame des Wintersports aufgenommen. Beim Bayerischen Sportpreis wurde sie als Jahrhundertsportlerin in der Kategorie „Jetzt erst recht“ geehrt.

Weitere Auszeichnungen

Vorträge, Einserstudium und soziales Engagement

Seit 2006 hält Verena Bentele für Unternehmen Impulsvorträge zu Motivation, Vertrauen, Kommunikation und Leistungsdruck und hat sich als Expertin für Personalentwicklung etabliert. 2011 beendete sie ihre sportliche Karriere. Im gleichen Jahr schloss sie ihr Studium mit der Note „sehr gut“ ab – Neuere Deutsche Literatur, mit den Nebenfächern Sprachwissenschaften und Pädagogik. Ihre Magisterarbeit schrieb sie über „Das Hörbuch als literarische Gattung“. Es folgte eine Ausbildung zum Systemischen Coach.

Ein Herzensanliegen ist es Verena Bentele, sich für den Nachwuchs einzubringen. Sie unterstützt daher verschiedene soziale Projekte.

Vorträge
Soziales Engagement

Kilimandscharo-Besteigung, Radmarathons und Alpinski-Rennen: Wie sie Energie für neue Projekte tankt

Bewegung und Sport haben nach wie vor einen festen Platz in ihrem Alltag: „Der Sport hat mir so viel gegeben, ich kann mir ein Leben ohne ihn gar nicht vorstellen.“ 2013 bestieg sie den Kilimandscharo (5.895 Meter), den höchsten Berg Afrikas, und als erster blinder Mensch auch den Mont Meru (4.562 Meter), einen Vulkangipfel in der Nähe. Außerdem bestritt sie 2013, 2014 und 2018 Europas längsten Radmarathon – 543 Kilometer mit 3.627  Höhenmetern von Trondheim nach Oslo. Ihre Bestzeit (2014): 22:23 Stunden. 2022 meisterte sie mit einem Guide bei den offenen Bayerischen Rotary Skimeisterschaften ihr erstes alpines Rennen.

„Ab und zu stelle ich mir zwar schon die Frage: „Warum tust du dir das an?“. Aber es ist ganz einfach: Weil es toll ist, sein Ziel zu erreichen. Das schafft neue Energie für noch größere Aufgaben und Herausforderungen – im Sport und im Beruf.“

Grenzerfahrungen